„Energieeffizienz als entscheidender Faktor” – Architekten-Interview

Im Dialog mit Johannes Wolffhardt

Architekten.de Redaktion     |     Aktualisiert am: 11. Dezember 2020
Lesezeit:  Minuten

Wofür stehen Sie als Architekt? Was ist Ihre Herangehensweise?

Viele Architekten denken nur in Gestaltungskriterien. Das ist mir zu wenig. Ich biete den Bauherren natürlich auch eine sehr individuelle Planung, stehe für zeitloses Design, langfristige Qualität sowie Wertbeständigkeit und betreue meine Bauherren über den Projektabschluss hinaus. Allerdings möchte ich bei meinen Projekten eine sehr hohe energetische Qualität erzielen und über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen.

Was zeichnet ein modernes privates Eigenheim aus?

In erster Linie eine hohe Energieeffizienz und eine große Offenheit der Wohnbereiche. Das Gebäude sollte außerdem ein zeitloses Design aufweisen. Darüber hinaus finde ich die Verwendung baubiologisch hochwertiger Materialien wichtig.

Wie lassen sich hochwertige Gestaltung und Bezahlbarkeit harmonisch vereinen?

Dies gelingt, indem man sich auf das Wesentliche reduziert. Das macht im Übrigen auch eine hochwertige Gestaltung aus. Bauherren sollten eine Prioritätenliste erstellen. Was ist ihnen wirklich wichtig? Durch die Reduktion hat man dann den notwendigen Spielraum, um gute Materialien einzusetzen.

In welchen Bereichen sollten Bauherren auf keinen Fall sparen?

Bauherren sollten auf keinen Fall an der Energieeffizienz ihres Gebäudes sparen. Außerdem sollten keine minderwertigen Bauprodukte, sondern möglichst gute und preiswerte  Materialien eingesetzt werden.

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Wie lassen sich Ein- und Zweifamilienhäuser besonders energieeffizient gestalten?

Der Stand der Technik bezüglich der Energieeffizienz ist heute das Passivhaus. Grundlage ist dabei eine gute Wärmedämmung. Allein die Vermeidung von Wärmebrücken verhindert bis zu 20 Prozent des Energieverlustes. Bei der Planung stehen neben dem gestalterischen Aspekt die Gebäudekompaktheit und die richtige Platzierung der Fenster im Vordergrund. Die Verglasung sollte sich nach Süden hin öffnen. Durch die gestalterisch akzeptable Integration von Photovoltaik-Modulen lässt sich ein Passivhaus auch so  gestalten, dass es mehr Energie erzeugt als es verbraucht. Diese zusätzliche Energie kann beispielsweise für den Betrieb eines Elektroautos verwendet werden. Stimmt die Gebäudehülle, kann auch die Anlagentechnik sparsamer dimensioniert werden. Weitere Möglichkeiten für eine hohe Energieeffizienz sind der Einbau eines Batteriespeichers sowie einer kontrollierten Wohnraumlüftung. Auch bei bestehenden Gebäuden lässt sich bei der Energieeffizienz einiges machen. Ich habe zum Beispiel mein eigenes Büro durch eine Sanierung auf den KfW70-Standard gebracht. Damit ist der Energieverbrauch von knapp 300 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr auf nur noch acht gesunken.

Wie sieht eine moderne Wärmeversorgung aus?

Die Heizung sollte möglichst regenerative Energieträger nutzen. Am besten ist ein gut gedämmtes Haus mit Wärmepumpe, bei dem der benötigte Strom über Photovoltaik selbst erzeugt wird. Bei einer Sanierung ist das häufig nicht möglich. Hier empfehle ich meinen Bauherren, auf nachwachsende Rohstoffe zu setzen. Für eine Pelletheizung gibt es beispielsweise eine KfW-Förderung und sie weist einen sehr niedrigen Primärenergiefaktor auf, was für den Gebäudeenergieausweis wichtig ist.

Welche Trends gibt es bei der Raumaufteilung?

Die Tendenz geht zur Offenheit, allerdings gilt generell: Man sollte nicht jedem Trend hinterherlaufen, ein Haus soll über Jahrzehnte Bestand haben. Bei der Planung entfernt man sich mehr und mehr von lange gültigen Konventionen, die individuellen Bedürfnisse der Bewohner werden immer wichtiger. Durch meine Nachfragen kann ich diese Bedürfnisse in der Vorentwurfsphase berücksichtigen.

Wie sind die Abläufe bei einem individuell geplanten Hausprojekt?

Am Anfang stehen die Analyse des Grundstücks und das Gespräch mit den Bauherren. Beim Grundstück geht es darum, welche Qualitäten und Besonderheiten es aufweist. Das Budget muss festgelegt werden und die Materialvorstellungen der Bauherren werden geklärt. Darüber hinaus sind natürlich die individuellen Vorlieben der Bauherren, ihre familiäre oder auch ihre berufliche Situation wichtig. Aus diesen Bausteinen skizziere ich dann erste Entwürfe, die in verschiedene Richtungen gehen. Davon ausgehend tasten wir uns immer weiter heran, legen die Zielvorstellungen für die energetische Qualität fest und optimieren den Entwurf immer weiter. Natürlich werden bei diesem Prozess auch die Kosten permanent überwacht.

Welche Aufgaben übernehmen Sie als Architekt bei den notwendigen Vorarbeiten zum Hausbau?

Ist noch kein Grundstück vorhanden, kann ich den Bauherren bei der Suche behilflich sein. Die Förderanträge (z.B. KfW) werden von mir bearbeitet und soweit die Finanzierung noch nicht steht, kann ich die entsprechenden Kontakte herstellen. Je früher der Bauherr sich von mir beraten lässt, desto zielgenauer können Grundstück und Gebäude auf ihn zugeschnitten werden.

Welche Einflussmöglichkeiten gibt es für den Bauherrn in der Bauphase noch? Und wie verhält er sich richtig, wenn er einen Baumangel erkennt?

Entscheidend ist: Der Bauherr hat immer das letzte Wort. Der Architekt ist nur sein Erfüllungsgehilfe und wird ihn bei allen Fragen entscheiden lassen. Natürlich bekommt er dabei die notwendige Unterstützung. Wenn etwas geändert werden soll oder wenn ein Bauherr meint, einen Baumangel zu erkennen, sollte er sich immer direkt an den Architekten wenden. Es ist Aufgabe des Architekten, diesen Mangel abzustellen bzw. nachbessern zu lassen.

Welche Bauweise bietet das größte Zukunftspotenzial?

Aus energetischer Sicht hat das Passivhaus – jetzt auch als Passivhaus premium – das größte Zukunftspotenzial. Dieser Haustyp erzeugt mehr Energie als er verbraucht. Generell muss ein Haus flexibler werden und die verschiedenen Lebensphasen der Bewohner berücksichtigen. Nachhaltigkeit und der Umgang mit der wertvollen Ressource Bauland werden zunehmen. Der Trend wird stärker in Richtung Sanierung und Wiederverwertung gehen.

Wo liegen die Trends bei modernen Mehrfamilienhäusern?

Wie beim Einfamilienhaus nimmt auch bei Mehrfamilienhäusern die Energieeffizienz einen hohen Stellenwert ein. Die Grundrisse sind offen, die Räume sollten hell und freundlich sein. Auch Barrierefreiheit ist natürlich ein Thema, zum Beispiel durch etwas breitere Türen und bodengleiche Duschen.

Welche Ansprüche sollten Unternehmen für ihren Firmensitz haben?

Beim Firmensitz ist immer die Frage: Wie stelle ich mich als Unternehmen dar? Offenheit oder Traditionsbewusstsein lassen sich auch durch die Gestaltung eines Gebäudes widerspiegeln. Ebenso müssen die Bedürfnisse nach Wirtschaftlichkeit, Repräsentation oder auch einer modernen Arbeitsumgebung individuell abgefragt werden. Eine attraktive Arbeitsumgebung wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger werden.

Welche Herausforderungen stellen öffentliche Bauwerke?

Bei öffentlichen Bauwerken ergibt sich meist eine Vielzahl an Ansprüchen. Soll das Gebäude von vielen verschiedenen Gruppen oder Vereinen genutzt werden, hat jede ihre eigenen Anforderungen. Hinzu kommen energetische Ziele oder Notwendigkeiten wie der Brandschutz. Die Herausforderung besteht darin, diese Komplexität zu einem Ganzen zusammenzuführen und mit einer hochwertigen Gestaltung zu verbinden.

Wie ist eine optimale Arbeitsstätte architektonisch gestaltet?

Die „Ressource Mitarbeiter“ wird für Unternehmen immer wichtiger. Das klassische Zellenbüro ist daher immer weniger gefragt. Der Arbeitsplatz muss attraktiv sein und effizientes Arbeiten ermöglichen.

Das Unternehmensgebäude als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie: Welches Potenzial bieten Siegel und Zertifikate zum nachhaltigen Bauen?

Die Systeme sind aktuell noch zu aufwendig und es gibt zu viele konkurrierende Labels. Aber: dieses Thema wird in den nächsten Jahren auf jeden Fall kommen. Sinnvoll ist es auf jeden Fall. Ich finde, Nachhaltigkeit sollte immer weiter standardisiert werden. Nachhaltigkeit ist dabei auch meine eigene Strategie: Ich gehe davon aus, dass ich mit meinem Büro weitgehend CO2-neutral arbeiten kann.


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