„Vorstellungen der Bauherren bestmöglich umsetzen” – Interview

Bettina Prell im Gespräch mit Architekten.de

Architekten.de Redaktion     |     Aktualisiert am: 11. Dezember 2020
Lesezeit:  Minuten

Welche Vorteile bietet ein Architekt dem privaten Bauherrn bei der Planung und dem Bau seines Eigenheims?

Ein Laie hat in der Regel nicht den notwendigen Sachverstand bei den komplizierten Bauabläufen. Beauftragt er einen Architekten, hat er einen Sachwalter, der treuhänderisch in seinem Sinne handelt, gewissermaßen als verlängerter Arm.
Zunächst steht der Architekt natürlich für eine individuelle Planung. Das ist der hauptsächliche Unterschied zum Bauen mit Bauträgern oder Fertighausherstellern.
Allerdings hat der Architekt auch in jeder weiteren Phase des Projektes seine Vorteile. Nehmen wir das Beispiel der Ausschreibung: Durch das Einholen von Angeboten mehrerer Firmen pro Gewerk ohne eigenes wirtschaftliches Interesse kann der Bauherr viel Geld sparen. Bei der Baudurchführung ist der bauleitende Architekt wirtschaftlich unabhängig von der ausführenden Firma und kann dadurch natürlich wesentlich besser die Interessen des Bauherrn vertreten, als ein Bauleiter, der zur durchführenden Firma gehört.

Wie gehen Sie bei der Planung eines Eigenheims vor?

Zunächst führe ich mit den Bauherren unverbindlich ein oder mehrere sehr ausführliche Gespräche, um die Leute kennen zu lernen. Dabei präsentiere ich keinen eigenen Stil, sondern höre erst einmal zu, was die Bauherren wünschen.


Die meisten Bauherren haben sich schon lange Zeit bevor sie zum Architekten kommen mit ihren Bauwünschen beschäftigt. In dieser Zeit sind es hauptsächlich die Frauen, die sich vermehrt in Wohn- und Architekturzeitschriften informieren. Deshalb frage ich oft ganz konkret nach ausgesuchten Beispielen oder Fotos, die mir zunächst zögerlich, dann jedoch auch gerne gezeigt werden. Ich finde, solche Beispiele gut, weil sie die Vorstellungen der Bauherren oft besser als Worte verdeutlichen.


Schnell zeigt sich dann, ob eher eine puristische oder verspielte Gestaltung gewünscht ist und die Bilder sind oft Einstieg in gute Diskussionen über das Thema Gestaltung allgemein. Häufig kommt es am Ende auch zu völlig anderen Ergebnissen. Immer jedoch entstehen durch dieses Einlassen auf die Wünsche der Bauherren neue interessante Lösungen.

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Gibt es trotz aller Individualität Trends bei privaten Eigenheimen?

In den vergangenen Jahren hat sich deutlich gezeigt: Alle wollen sehr große Bäder. Das Bad ist inzwischen ein richtiges Zimmer, das auch einmal 12 m² und mehr Fläche einnehmen kann.
Die Küchen werden heute in 80 Prozent der Fälle sehr offen zum Wohnbereich gestaltet. Auch bei Seniorenwohnungen ist die klassische geschlossene Küche nicht mehr gewünscht, oft auch aus Gründen der Barrierefreiheit. Eine sehr beliebte Lösung ist eine gemischte Variante, die Küche ist durch einen breiten Durchgang zugänglich, der aber dennoch bei Bedarf mit einer Schiebetür verschlossen werden kann.
Beim Thema Heizung werden heute fast ausschließlich Fußbodenheizungen eingebaut.

Wie lassen sich die vielfältigen Vorstellungen der Bauherren mit dem Thema Bezahlbarkeit vereinbaren?

Die Kosten müssen immer im Blickfeld bleiben. Bereits zu Beginn jeglicher Planung müssen wir das zur Verfügung stehende Budget abfragen, ansonsten würden wir einen schweren Fehler begehen.
Bei uns gilt das Credo: Wir fangen nicht an zu bauen, bevor die Kosten nicht vollständig bekannt sind. Falls dann die Angebote zu hoch sind, muss entweder nachfinanziert oder umgeplant werden, aber bitte alles vor Baubeginn.

In welchen Bereichen sollten Bauherren auf keinen Fall sparen?

Erst einmal ist es wichtig, für die richtigen Grundlagen zu sorgen. Unvermeidbar ist beispielsweise ein Bodengutachten mit Gründungsempfehlung, um u. A. die notwendigen Informationen für den Statiker zu erhalten. Würde hier gespart, könnte es hinterher zu Setzrissen oder anderen Schäden kommen. Außerdem sollte nicht an den Dingen, die man später nicht mehr ändern kann, gespart werden, also an der Grundbausubstanz wie Außenwände, Fenster, Dach etc. Hingegen kann der Ausbau, also Bodenbeläge etc., zunächst auch erst einmal etwas einfacher sein, um Kosten zu sparen.

Muss man wegen seines Budgets nicht viele Abstriche machen?

Das kommt natürlich ganz darauf an, mit welchen Vorstellungen die Bauherren ankommen. Wir zeigen dem Bauherrn die verschiedenen Möglichkeiten, bestimmte Wünsche zu erfüllen. Je mehr der Bauherr über die technischen Notwendigkeiten und deren Kosten erfährt, desto bescheidener wird er in der Regel in der Ausführungsphase.

Wie wichtig ist das Thema Energieeffizienz beim Bauen von Eigenheimen?

Ich finde das Thema ist wichtig, allerdings muss man das richtige Maß wahren. Ich bin kein Freund von allzu starken Wärmedämmungen und überzeugt davon, dass man sich dadurch auf lange Sicht gesehen ganz andere bauphysikalische Probleme einhandelt.
Wir bauen daher in der Regel entweder nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) oder KfW 70 oder 55 Standard. Darüber hinaus stehen die höheren Baukosten in keinem Verhältnis zu den später möglichen Einsparungen.

Wie sieht für Sie eine moderne Wärmeversorgung aus?

Sofern es das Budget und die Grundstücksverhältnisse zulassen, empfehle ich eine Erdwärmepumpe, denn mit so einer Anlage ist man von den meisten äußeren Einflüssen relativ unabhängig. Bei einem kleineren Budget ist eine Abluft-Wärmepumpe eine gute Wahl, diese setzen wir in vielen unserer Projekte ein.
Solaranlagen auf dem Dach zur Unterstützung der Heizung oder der Brauchwassererwärmung sind häufig sinnvoll, jedoch wegen der Lage des Gebäudes nicht immer machbar. Bei größeren Projekten kann auch der Einsatz eines BHKW (Blockheizkraftwerk) sinnvoll sein.

Gibt es eine Bauweise die Sie bevorzugen?

Ich propagiere in den letzten Jahren gern den Holztafelbau. Diese Bauweise ist aus meiner Sicht sehr zukunftsweisend. Die Häuser können zum großen Teil witterungsunabhängig vorgefertigt werden. Es gibt da sehr interessante Entwicklungen. Die Außenwandstärke ist mit ca. 35 cm deutlich geringer als beim Massivbau, bei gleicher oder oft besserer Dämmqualität. Dadurch lassen sich auch Baukosten sparen.
Gestalterisch lässt sich dabei auch fast alles verwirklichen, es muss nicht immer die klassische Holzfassade sein, Putz und Verblend oder moderne großformatige Fassadentafeln lassen sich ebenso gut verwenden. In Skandinavien oder Österreich und auch in Süddeutschland ist diese Bauweise schon lange üblich und hat sich längst bewährt.

Wie unterscheidet sich die Planung eines Mehrfamilienhauses von der eines Eigenheimes?

Bei einem Mehrfamilienhaus kennt man in der Regel die späteren Nutzer beim Planen des Gebäudes noch nicht. Daher muss man im Gegensatz zum sehr individuellen Eigenheim besonders neutral planen. Gut geschnittene Grundrisse und eine qualitativ hochwertige Außengestaltung sind genauso wichtig wie bei einem Einfamilienhaus.
Bei größeren Baukörpern ist es generell schwieriger und damit besonders wichtig, dass sie sich gut in die Umgebung einfügen, schließlich sollen ja die Bewohner – ob Mieter oder Eigentümer – ihr Haus auch leiden mögen und sich damit identifizieren.

Welche Herausforderungen stellen sich bei der Planung und Ausführung anderer Gebäudetypen?

Es ist immer eine Herausforderung, sich in die späteren Nutzer von Gebäuden hineinzuversetzen. Schließlich kann man als Architekt nicht selbst zu all diesen Zielgruppen gehören, also muss man sich entsprechend informieren. Außerdem ist, wie schon beim Thema Mehrfamilienhaus erwähnt, bei größeren Gebäuden, z. B. Sporthallen oder Schulaulen, die gestalterische Einbindung in die Umgebung oft eine herausfordernde Aufgabe. Wie schaffe ich es z.B. eine Baulücke zwischen zwei völlig unterschiedlichen Gebäuden harmonisch zu schließen? Wie lässt sich ein vorhandener schöner Baumbestand in die Planung der Altenwohnanlage oder der Kita einbeziehen? Wie schaffe ich es, das abschüssige Baugelände optimal für das neue Gebäude zu nutzen? All das sind Herausforderungen, denen wir uns in unserem Büro immer wieder gerne stellen.


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