„Energiebewusst Zeichen setzen” – Architekt Bernd Vetter im Interview

Architekten.de Redaktion     |     Aktualisiert am: 8. Dezember 2020
Lesezeit:  Minuten

Schwerpunkt Bauen im Bestand

Sie sind überwiegend im Bereich Bauen im Bestand tätig. Wie hat sich dieser Schwerpunkt bei Ihnen ergeben?

Als Sohn eines Gärtners wurde ich schon in jungen Jahren mit der Natur vertraut gemacht. Das hat mich bis heute geprägt. Auch als Architekt suche ich deshalb immer nach Möglichkeiten zur Nutzung vorhandener Ressourcen. Der Schwerpunkt Bauen im Bestand hat sich ganz selbstverständlich daraus ergeben: Altes Erhalten und energiebewusst neue Zeichen setzen betrachte ich als die Basis meiner Arbeit. Denn es ist unsere Aufgabe, die Natur zu schützen und im Einklang mit ihr zu leben und zu wohnen.

Welche besonderen Herausforderungen bietet das Bauen im Bestand?

Ganz grundsätzlich geht es beim Bauen im Bestand darum, einen möglichst großen Teil der Bestandssubstanz zu erhalten und dabei statische und logistische Herausforderungen im Baustellenablauf zu lösen, vorhandene Materialien wieder zu verwenden und neue Nutzungen in alte Bestandsstrukturen zu integrieren.

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Wieso sollten private Bauherren einen Architekten für Ihr Bauvorhaben beauftragen?

Anders als bei der Ausführung durch einen Bauträger erhält der Bauherr mit einem Architekten eine persönlich zugeschnittene Umsetzung und Konzeption seiner Bauaufgabe und kann so seine Individualität ausdrücken. Darüber hinaus ist so ein variabler und gezielter Einsatz der unterschiedlichen Gewerke möglich; es gibt also nicht den immer gleichen Firmenpool wie bei einem Bauträger. Der Architekt ist dabei Ansprechpartner und Vermittler zwischen Bauherr und Handwerker.

Wie lassen sich hochwertige Gestaltung und Bezahlbarkeit harmonisch vereinen?

Eine hochwertige Gestaltung muss nicht immer teuer sein. Oftmals muss man dem Bauherrn eine andere Gestaltung erst mal vorschlagen. Rechnet man die Variante dann durch, dann ergeben sich trotz einer deutlich wertigeren Gestaltung meist keine großen Kostensteigerungen.

In welchen Bereichen sollten Bauherren auf keinen Fall sparen?

Nicht gespart werden sollte auf jeden Fall bei der Anlagentechnik. Denn über die Jahrzehnte hinweg kann man hier große Einsparungen erzielen. Schließlich kann man Häuser heute ähnlich wie ein Passivhaus fast durchgehend über Wärmerückgewinnung beheizen. Das erfordert dann aber auch ein verändertes Nutzerverhalten.

Wie ist das Thema Nachhaltigkeit im Bewusstsein der Bauherren verankert?

Das Bewusstsein für eine nachhaltige Bauweise ist nach unserer Auffassung noch nicht sehr verbreitet. In der Regel geht der Bauherr von natürlichen Baustoffen aus, ohne dabei die Herstellungsketten von Bauteilen zu berücksichtigen.

Welche Aufgaben übernehmen Sie als Architekt bei den notwendigen Vorarbeiten zum Hausbau?

Ich übernehme sämtliche Leistungen der HOAI. Das umfasst auch Materialbeschaffungen, die Besichtigung von Vergleichsobjekten in technischer und gestalterischer Hinsicht sowie die Prüfung von Zuschüssen und Kreditmöglichkeiten im Rahmen der KfW-Förderung. Darüber hinaus untersuche ich auf Wunsch auch Baugrundstücke auf negative Einflüsse wie Wasseradern, Gitternetzen usw.

Wie begleiten Sie als Architekt die Bauphase? Welche Einflussmöglichkeiten gibt es für den Bauherrn zu diesem Zeitpunkt noch?

Bei Objekten im Umkreis von 50 bis 60 Kilometern führen wir unsere Bauleitung fast täglich durch, das ist bei Sanierungen auch nötig. Der Bauherr hat somit durchgängig die Möglichkeit, auch in diesem Stadium noch Einfluss zu nehmen.

Wie können Bauherren eine fachgerechte Bauausführung erkennen? Gibt es Indizien, die einem Laien ins Auge fallen?

Wichtige Indizien können abgestimmte Zeitabläufe, eine kurze Bauzeit, fachlich kompetente Firmen, die Einhaltung des Kostenrahmens in sämtlichen Einzelschritten, ordnungsgemäße Abnahmen der Gewerke sowie eine frühzeitige Beanstandung von Mängeln sein.

Schwerpunkt Wohnbau

Was zeichnet ein modernes privates Eigenheim aus? Wo liegen die aktuellen Trends?

Zwei wichtige Bausteine für ein zeitgemäßes Eigenheim sind eine kompakte und energieeffiziente Bauweise. Darüber hinaus sollte ein modernes Einfamilienhaus möglichst kostengünstig erstellt sein, einen variablen Innenbereich haben und natürlich viel Individualität ausstrahlen.

Wie lassen sich Ein- und Zweifamilienhäuser besonders energieeffizient gestalten?

Wichtige Faktoren sind eine kompakte Bauweise, eine gute Anlagentechnik, der Einsatz von Kraftwärmekopplung sowie ein hohes Maß an Eigenversorgung durch Photovoltaik und thermische Solaranlagen.

Welche Trends gibt es bei der Raumaufteilung/Innenraumgestaltung?

Ein wichtiger Trend sind offene und lichtdurchflutete Wohn-, Ess- und Kochbereiche. Die Abtrennung der einzelnen Funktionen findet dabei durch Möbel statt. Die klassischen Grundrissaufteilungen, bei denen die verschiedenen Funktionen auf unterschiedliche Räume verteilt sind, werden dagegen nicht mehr groß nachgefragt.

Welcher Komfort ist im modernen Hausbau möglich und gängig?

Da bin ich eher zurückhaltend: Zu viel Technik sollte nicht vorhanden sein. Einzelne Details wie ein steuerbarer Sonnenschutz sind aber sicher sinnvoll.

Welche Anforderungen stellen sich an den Einbruchschutz?

Das Thema hat in den vergangenen Jahren auch bei Ein- oder Zweifamilienhäusern immer mehr an Bedeutung gewonnen, da die Zahl der Einbrüche deutlich zugenommen hat.

Wie sind die Abläufe bei einem individuell geplanten Hausprojekt?

Ganz zu Beginn einer Planung kläre ich gemeinsam mit den Bauherren erst mal ihren individuellen Tagesablauf und ermittle den dazu notwendigen Flächenbedarf. Darauf aufbauend erstelle ich auf der Grundlage des vorhandenen Grundstückes einen ersten Vorentwurf mit Varianten, der dann mehrfach an die Vorstellungen der Bauherren und den bestehenden Kostenrahmen angepasst wird. Ganz allmählich entsteht so ein fertiger Entwurf.

Welche Bauweise bietet das größte Zukunftspotenzial?

Grundsätzlich haben sich in den vergangenen Jahren sowohl Massivbau als auch der Leichtbau (z.B. Tafelbauweise) kontinuierlich weiterentwickelt. Aufgrund der Zeitersparnis auf der Baustelle wird sich der Leichtbau verstärkt etablieren.

Was zeichnet ein modernes Mehrfamilienhaus aus?

Ein modernes Mehrfamilienhaus muss flexibel, nachhaltig, effizient und kostengünstig geplant sein. Ein wichtiger Aspekt ist außerdem eine barrierefreie Grundrissgestaltung und Ausstattung. Das wird immer mehr zum Standard.

Schwerpunkt Nicht-Wohnbau

Was zeichnet einen modernen Firmensitz aus? Welche Ansprüche sollten Unternehmen an ihr Verwaltungsgebäude haben?

Wichtig ist ein leichtes und ansprechendes Gebäude, das die Geschäftsphilosophie der Firma widerspiegelt. In der Regel übernehmen wir hier aber fast ausschließlich Sanierungen.

Welche Herausforderungen stellen öffentliche Bauwerke?

Neben einer ansprechenden und freundlichen Gestaltung geht es bei öffentlichen Bauwerken vor allem um eine hohe Flexibilität, um eine hohe Nutzerfreundlichkeit sowie um möglichst geringe Kosten bzw. Betriebskosten.

Wie ist eine optimale Arbeitsstätte architektonisch gestaltet?

Eine gute Arbeitsstätte sollte freundlich gestaltet sein, eine gute Tageslichtversorgung haben und außerdem flexibel nutzbar sein.

Welche Sicherheitsanforderungen müssen erfüllt werden?

Der Brandschutz stellt im Nichtwohnbereich inzwischen sehr hohe Anforderungen. Das hat in den letzten Jahren zur Nachrüstung vieler Nichtwohngebäude im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich geführt. Daneben müssen die Auflagen zum Schall-, Einbruchs- und Gesundheitsschutz erfüllt werden.

Das Unternehmensgebäude als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie: Welches Potenzial bieten Siegel und Zertifikate zum nachhaltigen Bauen?

Die verschiedenen Siegel sind vom Grundsatz her auf jeden Fall ein guter Ansatz und stellen einen ersten Schritt dar, um das Thema Nachhaltigkeit stärker zu berücksichtigen. Die Bewertungskriterien der Zertifikate und Siegel sind allerdings noch verbesserungswürdig. Denn wenn man die Herstellung und die gesamte Lebenszykluskette bestimmter Baustoffe betrachtet, dann kommt man häufig zu ganz anderen Ergebnissen. Hier würde ich mir deutlich mehr Ehrlichkeit wünschen.


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