„Planung mit Leidenschaft” – Architekt Wickersheim im Interview

Architekten.de spricht mit Daniel Wickersheim

Architekten.de Redaktion     |     Aktualisiert am: 8. Dezember 2020
Lesezeit:  Minuten

Wieso sollten private Bauherren einen Architekten für die Planung und den Bau ihres Eigenheims beauftragen? Welche Vorteile bieten sich gegenüber Bauträgern etc.?

Mit einem Architekten erhält der Bauherr eine deutlich höhere Qualität und Individualität – und somit auch einen höheren Mehrwert seines Gebäudes in Bezug auf Grundriss, Funktionalität, Gestaltung, Materialwahl sowie Details und Bautechnik. Die Kosten sind trotz dieser Vorteile in der Regel kaum höher, denn Bauträger streichen ja eine große Gewinnmarge ein. Viele Bauherren denken dennoch, man bekäme sein Haus beim Bauträger günstiger. Das ist aber falsch! Im Gegenteil: Das Architektenhaus hat einen großen Mehrwert und ist zudem deutlich nachhaltiger in allen Bereichen.

Was zeichnet ein modernes privates Eigenheim aus? Wo liegen die aktuellen Trends?

Trends sind mir nicht so wichtig, ich habe da meine eigenen Visionen. Entscheidend ist eine hohe gestalterische und bauliche Qualität, die individuell mit dem Auftraggeber abgestimmt und in sämtlichen Details auf ihn zugeschnitten ist. Ganz wichtig ist mir außerdem, wieder mit weniger Quadratmetern auszukommen und gleichzeitig bessere Räume mit einer spürbar guten Atmosphäre zu schaffen. Schließlich ist Raum heute ein wertvolles Gut geworden, mit dem man ähnlich wie mit dem Faktor „Zeit“ oder mit fossilen Energieträger-Ressourcen behutsamer umgehen muss als bisher. Als eine gute Entwicklung sehe ich hier das Wohnen in den Innenstädten – und zwar für alle Einkommensschichten. Dabei lassen sich auch „vergessene“ Orte ausfindig machen und wieder besetzen oder reaktivieren.

Welche Trends gibt es bei der Raumaufteilung/Innenraumgestaltung?

Stark nachgefragt sind offene Wohn-, Ess- und Küchenbereiche, kleine „introvertierte“ Schlafräume sowie kleine (aber schöne) Bäder. Als wichtige Trends sehe ich außerdem Funktionsüberlagerungen durch flexibel nutzbare Räume und Einbaumöbel sowie Materialien mit natürlichen Oberflächen, die „in Würde“ altern.

Wie lassen sich hochwertige Gestaltung und Bezahlbarkeit harmonisch vereinen?

Gute Gestaltung schafft einen enormen Mehrwert, der angemessen bezahlt werden muss. Die Mehrkosten rechnen sich aber. Denn die Investition in eine gute Planung und Arbeitsvorbereitung macht sich während des Bauablaufs, beim fertigen Gebäude und später beim Betrieb des Hauses oder  auch beim Wiederverkauf mehr als bezahlt.

Woran sollten Bauherren nicht sparen?

An der Planung! Denn später ist dann ja alles „zementiert“ und lässt sich nur noch mit sehr viel Aufwand ändern. Sparen sollte man auch nicht bei der „Primärkonstruktion“ –  also vor allem bei den Außenbauteilen, die eine lange Lebenserwartung haben wie Dach, Wand oder Fenster. Badeinrichtungen, Küchen, Möblierung oder innere Bauteilbekleidungen können hingegen schneller und kostengünstiger erneuert werden. Sie unterliegen auch wechselnden „Mode-Trends“ und werden häufig ausgetauscht, obwohl die Lebensdauer oft noch längst nicht überschritten ist. Grundlegend wichtig bei all diesen Entscheidungen ist das kritische Hinterfragen der eigenen „Wohngewohnheiten“ und die grundsätzliche Beschäftigung mit dem Thema. Leider haben wir hier in Deutschland große Bildungslücken. Ich behaupte mal: Eigentlich sollte Architektur ein Standard-Fach in den Schulen sein. Es geht ja schließlich um unsere „gebaute Umwelt“!

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Neben Wohnhäusern planen Sie auch individuelle Hausboote. Welche speziellen Anforderungen stellen sich in diesem Bereich?

Die Herausforderung liegt nicht zuletzt darin, mit wenig Platz auskommen und trotzdem gute Grundrisse zu entwickeln und schöne Räume zu schaffen. Darüber hinaus müssen einige technische Besonderheiten berücksichtigt werden, die sich durch schwimmende Objekte ergeben. Eine große Herausforderung sind außerdem die hohen Kosten für die Erschließung der Liegeplätze.

Wie hat sich dieser ungewöhnliche Schwerpunkt ergeben?

Durch den Bau meines eigenen Hausbootes – entstanden durch den Wunsch, möglichst nah am Wasser zu wohnen; und damit an einem „archaischen“ Naturelement, ähnlich wie auch der Wald, die Berge oder das Feuer.

Wie ist das Thema Nachhaltigkeit im Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern und im Bewusstsein der Bauherren verankert?

Bislang war das Bewusstsein über das Thema Nachhaltigkeit nur sehr rudimentär vorhanden. Aber das ändert sich allmählich; zumindest für einen Teil der Bauherren wird das Thema mittlerweile immer wichtiger. Wobei man eigentlich zunächst klären muss, was der sehr strapazierte Begriff „Nachhaltigkeit“ überhaupt umfasst. Sonderbarerweise hat immer noch das Auto bei uns einen sehr viel höheren Stellenwert als die Wohnung/das Haus! Dabei ist das Auto doch etwas, das so gar nicht nachhaltig ist. Dazu braucht man nur den enormen Wertverlust einen Neuwagens in kürzester Zeit betrachten oder sich die Energie vor Augen zu halten, die zur Herstellung eines Autos und dann während seiner Betriebszeit aufgewendet werden muss.

Wie lassen sich Ein- und Zweifamilienhäuser besonders energieeffizient gestalten?

Durch eine kluge und sorgfältige Planung und durch genaue Kenntnisse über Materialien sowie über den aktuellen Stand der am Markt verfügbaren Technik für Heizung, Warmwasserbereitung und Lüftung. Wichtig ist außerdem ein gutes „Augenmaß“ bei der Wahl der Dämmstärke der Gebäudehülle sowie bei der Auswahl und Konzeptionierung der Haustechnik mit möglichst regenerativen Systemen. Ganz generell sollte so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig an moderner, sinnvoller und intelligenter Technik integriert werden. Viele Bauherren sprechen dabei abfällig vom „High-Tech-Haus“, benutzen aber andererseits ganz selbstverständlich Smart-Phones, Computer, Autos oder Kühlschränke, die Eiswürfel ausspucken. Verglichen damit würde ich die Haustechnik, die wir heute zum Heizen und Lüften einsetzen, als absolute „Low-Tech“ bezeichnen! Letztlich braucht es nur eine effektive Dämmung mit Naturfaser-Dämmstoffen und eine regenerative Heiz- und Lüftungstechnik. Das ist schon alles!

Wie sieht eine moderne Wärmeversorgung aus?

Ganz grundsätzlich sollte man erst einmal so wenig wie möglich Wärme- bzw. Kältebedarf erzeugen! Wichtig ist es also, gut zu dämmen, alle Energieverbraucher auf den Prüfstand zu stellen und sein eigenes Nutzerverhalten zu hinterfragen. Denn nur so kann die Wärmeversorgungstechnik schlank und kostengünstig gehalten werden. Auf dieser Basis plädiere ich dann nach wie vor für die gute alte Gas-Brennwert-Therme mit ihren geringen Investitionskosten und ihrer sehr effizienten und ausgereiften Technik. Irgendwann steht hier hoffentlich auch ökologisch und sozial vertretbar hergestelltes Biogas zur Verfügung. Zur Kombination bietet sich Solarthermie in Verbindung mit Wasserspeichern an. Die Wärme fürs warme Brauchwasser kommt so im Sommer und den Übergangsjahreszeiten quasi „umsonst“ von der Sonne. Im Winter muss allerdings mit anderen Systemen zugeheizt werden.

Welche weiteren Lösungen gibt es?

Eine Alternative bieten Biomasse-Heizungen auf Basis von Holz-Pellets, Hackschnitzeln oder Holz-Stückgut. Die höheren Investitionskosten können dabei ggf. mit Fördermitteln der öffentlichen Hand  etwas gesenkt werden. Eine andere Lösung stellen Blockheizkraftwerke dar. Sie werden zwar meist noch mit fossilen Energieträgern betrieben, sind aber ökologisch gesehen äußerst effizient, da sie als „Abfallprodukt“ die sehr edle Energieform „Elektrizität“ abwerfen. Einziger Nachteil: Um wirtschaftliche Laufzeiten zu erhalten, sollte auch im Sommer eine hohe Warmwasser-Abnahme vorhanden sein. Das ist bei einem kleinen Einfamilienhaus meist nicht der Fall. Außerdem im Gespräch sind Wärmepumpen. Ihr Einsatz ist aber nur sinnvoll, wenn regenerativ erzeugter Strom verwendet wird – wenn es also zum Beispiel Solarzellen auf dem Dach gibt. Eine Wärmepumpe ist immer auch eine „Stromheizung“, wenn auch eine recht effektive.

Welche Anforderungen stellen Brand- und Einbruchschutz?

Brandschutz ist lebenswichtig und daher kaum diskutierbar. Der Einbruchschutz ist dagegen stark an das individuelle Sicherheitsbedürfnis gekoppelt. Ich persönlich halte nicht so viel davon, mich hinter einem vermeintlichen „Schutzwall“ aus teurer Technik zu verschanzen (Thema „High-Tech-Haus“). Das wäre für mich ein Leben in dauernder Angst. Das ist aber ein sehr persönliche und individuelle Frage und somit nicht pauschal zu beantworten.

Was müssen Bauherren zunächst klären, wenn Sie über ein individuell geplantes Hausprojekt nachdenken?

Zunächst einmal muss ich mir als Bauherr Gedanken darüber machen, was ich eigentlich genau will! Dabei ist es gerade am Anfang wichtig, nicht in Quadratmetern zu denken, sondern mich einzufühlen in Vorstellungen von Raum, Atmosphären und Wohngewohnheiten, um diese dann zu hinterfragen, aufzuschreiben und ggf. neu zu definieren. Ein ganz entscheidendes Kriterium dabei ist der Bau-Ort! Denn der ist später am wenigsten veränderbar. Deshalb sollte man hier ein bedingungslos gutes Gefühl haben! Sind diese grundlegenden Dinge geklärt, dann sollte zunächst ein grobes Budget festgelegt werden, um dann anschießend einen guten Planer seines Vertrauens ausfindig zu machen.

Was sind dann die weiteren Abläufe aus Sicht des Architekten?

Nach einem ersten Gespräch mit dem Bauherrn entstehen zunächst grobe Skizzen und Vorentwurfszeichnungen. Nach und nach und in enger Abstimmung entwickeln sich daraus erste Pläne sowie erste Kostenschätzungen und Berechnungen. Ist die grobe Richtung festgelegt, dann beantrage ich die Baugenehmigung und gehe in eine ausführliche Ausführungs- und Detailplanung über. Im nächsten Schritt hole ich Angebote von guten und fähigen Handwerksfirmen ein und organisiere den Bauablauf und die Ausführungszeiten. Während der eigentlichen Bauphase bin ich dann regelmäßig vor Ort, um die Ausführungsqualität zu kontrollieren.

Wie begleiten Sie als Architekt die Bauphase? Welche Einflussmöglichkeiten gibt es für den Bauherren zu diesem Zeitpunkt noch?

In der Regel sind wir ein bis zwei Mal wöchentlich vor Ort, um die Baustelle zu überwachen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Bauherr allerdings nur noch geringe Einflussmöglichkeiten. Bei einer guten  Planung ist das aber auch gar nicht notwendig. Kleinere Änderungen sind selbstverständlich noch möglich und niemals ganz auszuschließen. Größere Änderungen wären aber in der Regel mit erheblichen Mehrkosten verbunden.

Worauf sollten Bauherren bei den Formalien achten? Wo lauern die Fallstricke?

Wichtig ist es, eine gute und vor allem unabhängige Beratung zu finden. Denn Handwerksfirmen und Bauträger haben immer ein Eigeninteresse daran, etwas Bestimmtes zu verkaufen.

Wie können Bauherren eine fachgerechte Bauausführung erkennen? Gibt es Indizien, die einem Laien ins Auge fallen?

Das ist für einen Bau-Laien sicherlich nur sehr schwer möglich. Meist erkennt er eine schlechte Ausführungs- und Planungsqualität erst später in der Nutzung, wenn es längst zu spät ist zu reagieren. Wichtig sind also ein großes Vertrauen zu allen am Bau Beteiligten und natürlich auch gute Fachleute.

Welche Bauweise bietet das größte Zukunftspotenzial?

Das ist schwer zu sagen und muss auf die jeweilige individuelle Situation hin überlegt werden. Als gelernter Zimmerer schlägt mein Herz natürlich sehr für den Holzbau. Denn Holz als nachwachsender Rohstoff enthält sehr wenig „graue“ Energie – also Energie, die für die Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Beton und die meisten Mauersteine sowie Mineralfaserdämmung, chemische Dämmstoffe etc. stehen da sehr viel schlechter da. Die unterschiedlichen Materialien stahlen außerdem auch eine unterschiedliche „Atmosphäre“ aus, es geht also auch hier um eine sehr persönliche und individuelle Entscheidung.

Was zeichnet ein modernes Mehrfamilienhaus aus?

Mehrfamilienhäuser sind im urbanen Kontext nicht wegzudenken und bieten zahlreiche Vorteile. Das gute Verhältnis von Hüllfläche und Raumvolumen reduziert Energieverluste, außerdem kann die Heiztechnik effizienter eingesetzt werden, da ein Heizwärmeerzeuger für viele Nutzungseinheiten die Wärme liefert, die Erzeugungsverluste aber nur einmal produziert werden. Ökonomisch bieten Mehrfamilienhäuser außerdem geringere Baukosten je Wohneinheit und geringere Mobilitätskosten, da sie meist zentrumsnah errichtet werden. Im Idealfall kann damit ein Auto entfallen oder gemeinschaftlich genutzt werden. Hinzu kommt, dass ein Mehrfamilienhaus die Chance bietet, neue Wohnkonzepte wie Mehr-Generationen-Wohnen, Wohngemeinschaften oder Baugemeinschaften umzusetzen; es geht dabei also auch um sozialer Aspekte.

Was gibt generell für Trends in Bezug auf das Wohnen?

Weltweit gibt es einen Trend hin zu den großen Metropolen und weg vom Landleben. Vor einigen Jahren wurde gemeldet, dass weltweit erstmals mehr Menschen in Städten leben als auf dem Land.
Ich kann mir auf mittel- bis langfristig allerdings vorstellen, dass dieser Trend wieder etwas abebbt und das Leben auf dem Lande wieder attraktiver wird, da es in der Regel deutlich kostengünstiger ist. Denn die Kosten für Wohnraum in den Städten, besonders in den Innenstädten, können sich leider zunehmend nur noch relativ reiche Menschen leisten. Hier sollte politisch sicherlich gegengesteuert werden. Ich vermute aber auch, dass dadurch, dass gewisse Arbeitsfelder durch Homeoffices oder andere Entwicklungen zusehends ortsunabhängig werden, so dass das Leben und Arbeiten auf dem Lande irgendwann wieder attraktiver sein wird als es aktuell der Fall ist.


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