„Planung mit Weitblick” – Architekt Daniel Richter im Interview

Architekten.de Redaktion     |     Aktualisiert am: 11. Dezember 2020
Lesezeit:  Minuten

Schwerpunkt Ferienresorts/Wohnbau

Sie haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Hotel- und Ferienresorts fertiggestellt? Welche besonderen Herausforderungen stellen sich in diesem Bereich?

In den letzten Jahren hat hier ein großer Wandel stattgefunden. Wo früher ein einfaches Bett mit Dusche und Holzsauna ausreichte, da erwarten auch die älteren Urlaubsgäste heute ein Erlebnis mit ansprechendem Komfort und Authentizität mit regionaler Prägung. Den Wanderer mit den roten Kniesocken gibt es nicht mehr, stattdessen erleben wir aktive Gäste mittleren Alters, die das Wandern oder das Mountainbiking für sich entdeckt haben. Diesem Wandel müssen wir uns auch als Architekten stellen.

Was zeichnet denn ein modernes Ferienresort aus? Wo liegen die aktuellen Trends?

Trends sind für mich nicht wirklich von Belang und zeichnen sich eher durch kurze Halbwertszeiten aus. Raumgefüge, Licht und Materialität sollten nicht unbedingt einem Trend folgen, sondern langfristig angelegt sein. Nur trendy sein und den neuesten technischen Features folgen, das macht noch keine gute Architektur aus. Der Gast erwartet heute ein allumfassendes Erlebnis. Hierzu zählt neben einer umfangreichen Infrastruktur vor allem die Einbindung der Anlage in die Landschaft. Es ist wichtig, sich einfühlen zu können und an einem Ort auch anzukommen. Dies gelingt nur, wenn nicht die maximale Größe im Vordergrund steht.

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Wieso sollten Bauherren denn überhaupt einen Architekten beauftragen?

Ein Architekt sollte in der Lage sein, privaten Bauherren einen Perspektivwechsel auf das bisher Gedachte zu ermöglichen. Häufig ist es nur der Blickwinkel, der bisweilen zu linear ist. Öffnet man sich hingegen für einen Prozess, dann hat das Ergebnis größere Chancen. Außerdem ist der Architekt tatsächlich Partner und kann helfend und unterstützend zur Seite stehen.

Wie lassen sich hochwertige Gestaltung und Bezahlbarkeit harmonisch vereinen?

Indem sich alle Bauteile einem Ganzen fügen und einem durchgehenden Gestaltungskonzept folgen. Und das ist unabhängig von möglichen Kosten oder Bezahlbarkeit. Denn das Anlegen einer Öffnung an der richtigen Stelle kostet erst mal nicht mehr Geld. Auch gilt es zu fragen, ob zum Beispiel grüner Marmor aus Brasilien die richtige Wahl ist.

In welchen Bereichen sollten Bauherren auf keinen Fall sparen?

Bei der Wahl des Grundstückes und beim Umgang mit Tageslicht.

Wie sind die Abläufe bei einer Planung, wie werden die Bauherren eingebunden?

Entscheidend ist, dass die Chemie stimmt. Wenn der Bauherr seinem Architekten nicht wirklich vertraut, dann wird am Ende auch nichts Brauchbares herauskommen. Grundsätzlich ist es ein Herantasten über verschiedene Gestaltungsvorschläge, bis die notwendige Nähe vorhanden ist. Auf diesen Prozess müssen sich aber auch beide Seiten offen einlassen.

Wie begleiten Sie als Architekt die Bauphase? Welche Einflussmöglichkeiten gibt es für den Bauherren zu diesem Zeitpunkt noch?

Je weiter der Planungsprozess fortgeschritten ist, desto teurer können eventuelle Änderungen werden. Deshalb versuchen wir bereits im Planungsprozess, dem Bauherrn möglichst viel über Muster transparent darzustellen. Dennoch bringt es nichts, auf Entscheidungen zu pochen. Der Prozess sollte eine gewisse Offenheit behalten. Es ist nicht nötig, schon bei den Erdarbeiten zu wissen, welche Fliesen im Bad verlegt werden. Kleine stetige Schritte sind leichter zu verarbeiten als ein Riesensprung.

Worauf sollten Bauherren bei den Formalien achten?

Die Formalien sind überschaubar, sofern man sich nicht im Außenbereich bewegt. Hin und wieder kommt es vor, dass Gestaltungssatzungen oder Festsetzungen von B-Plänen nicht beachtet werden. Daran sollten wir aber in jedem Fall denken und den Bauherrn so vor Fehlern bewahren.

Welche Bauweise bietet das größte Zukunftspotenzial?

Holzbau und Massivbau haben beide ihre Vor- und Nachteile. Der vorgefertigte Holzbau lässt sich sehr schnell fertigstellen, der Massivbau hat andererseits ein hohes thermisches Speichervermögen. Die jeweilige Entscheidung hängt am Ende sehr von den Wünschen des Bauherrn ab.

Wie ist das Thema Nachhaltigkeit im Bewusstsein der Bauherren verankert?

Nach meiner Erfahrung ist der Nachhaltigkeitsgedanke bei Bauherren von Ein- und Zweifamilienhäusern nicht sehr stark ausgeprägt. Das gilt sowohl für gestalterische als auch für bautechnische Aspekte. Dennoch ist es immer wieder einen Versuch wert, das Thema mit den Bauherren zu diskutieren.

Wie lassen sich Häuser besonders energieeffizient gestalten?

Das Gebäude sollte kompakt, einfach und zur Sonne ausgerichtet sein. Bezüglich der Wärmeversorgung haben wir gute Erfahrungen mit der Nutzung von Erdwärme gemacht.

Welcher Komfort ist im modernen Hausbau möglich und gängig?

Möglich ist heute sehr viel. Sie können von Ihrem Handy aus die Heizung und die Lüftungsanlage steuern. Ich halte allerdings nichts von dieser rasanten Technisierung. Häufig werden die Systeme nicht wirklich vollumfänglich benutzt, außerdem sind sie sehr fehlerintensiv. Dennoch sind Medienverkabelungen, Bauteilaktivierungen und bodentiefe Fenster heute fast Standard.

Welche Trends gibt es bei der Raumaufteilung/Innenraumgestaltung?

Ich denke, dass die einzelnen Funktionen immer mehr ineinander übergehen. Wohnen und Essen sind zum Beispiel schon lange nicht mehr strikt getrennt. Die Küche als Kommunikationszentrum und zentraler Treff der Familie oder mit Freunden ist Teil des Wohnraumes geworden. Das Bad verschmilzt in Teilen mit dem Schlafzimmer und wird zum „Wohnbad“. Und auch das klassische Arbeitszimmer hat sich via iPad inzwischen auf alle Räume verteilt.

Welche Anforderungen stellen sich an Brand- und Einbruchschutz?

Decken und Wände sind häufig massiv oder mittels Bauplatten brandschutztechnisch auf einem guten Stand. Auch Rauchmelder halten sinnvollerweise immer mehr Einzug. Beim Einbruchschutz helfen abschließbare Fenster, hochwertige Schlösser mit Längsverriegelung und stabile Eingangstüren. Vor allem gilt es, einzelne Schwachstellen zu vermeiden.

Was zeichnet ein modernes Mehrfamilienhaus aus? Wo liegen die Trends?

Die Zukunft liegt in der „Drittverwendungsfähigkeit“ für die Bankenfinanzierung. Das heißt: Ein Wohngebäude ab einer gewissen Größe muss auch Büro werden können und umgekehrt. Weitere wichtige Faktoren für eine gute Vermietbarkeit sind offene, flexible Grundrisse sowie eine gute Lage zur Sonne, zum öffentlichen Nahverkehr und in letzter Perfektion: Zur Natur.

Welche Bedeutung hat die altengerechte oder barrierefreie Gestaltung von Mehrfamilienhäusern?

Eine altengerechte oder barrierefreie Planung ist bereits in den Landesbauordnungen verankert und wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Das ist Folge unserer veränderten Alterspyramide.

Schwerpunkt Nicht-Wohnbau

Was zeichnet einen modernen Firmensitz aus? Welche Ansprüche sollten Unternehmen für ihr Verwaltungsgebäude haben?

Die Präsentation nach außen und die Ausbildung eines vollumfänglichen Markenauftritts mit hoher Wiedererkennung sind sehr wichtig. Das schließt die Architektur mit ein. Und auch intern gibt es mittlerweile deutlich gestiegene Anforderungen an moderne Arbeitsplätze, offene Kommunikationszonen und eine begleitende Infrastruktur. Ganz wichtig ist, dass sich die Mitarbeiter in ihrer Umgebung wohl fühlen. Das klassische 3er-Büro alter Bauart ist deshalb in den vergangenen Jahren durch ein offenes Arbeiten mit verschiedensten Rückzugsmöglichkeiten abgelöst worden.

Welche Anforderungen stellen sich an den modernen Industriebau? Wo liegen die aktuellen Trends?

Der Trend liegt schon länger in der Vorfertigung. Ist die Entscheidung zum Bau gefallen, dann soll es auch schnell vorangehen. Wichtig ist außerdem, dass der Standort Raum zum Wachsen hat; Erweiterungen sollten deshalb von Anfang an eingeplant werden.

Welche Herausforderungen stellen öffentliche Bauwerke?

Der Aufwand bei der Vergabe ist erheblich. Damit einher geht das schwer kalkulierbare Risiko, später eine Firma zu beauftragen, die kurz vor der Insolvenz steht. Dennoch gibt es keine Alternative zum System der öffentlichen Ausschreibung.

Wie ist eine optimale Arbeitsstätte architektonisch gestaltet?

Wir versuchen, Aus- und Durchblicke zu schaffen und nicht nur 500 LUX am Arbeitsplatz zu liefern. Neben transparenten und offenen Bereichen muss es aber auch kleinteilige Räume geben, die einen individuellen Rückzug möglich machen. Im Ergebnis sollten spannende Raumkonstellationen entstehen, die einen Bezug zur Umgebung sicherstellen. Die Grundrisse müssen hochflexibel sein und Einzel-, Kombi- und Großraumlösungen zu lassen. Der Trend geht klar zum open office space mit differenzierten Arbeits- und Kommunikationsbereichen.

Welche Anforderungen stellen sich an den Brandschutz im Nichtwohnbau?

Vieles ist in der Industriebaurichtlinie oder in den Landesbauordnungen geregelt. Mittlerweile hat der Brandschutz jedoch das bisherige Niveau überschritten, die Vorgaben lassen sich in der Regel nur noch mit ausgewiesenen Sachverständigen umsetzen. Im Kern liegt die Priorität im Personenschutz und in der Früherkennung. Direkte Fluchtausgänge in erreichbaren Abständen sorgen hier für zusätzliche Sicherheit.

Das Unternehmensgebäude als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie: Welches Potenzial bieten Siegel und Zertifikate zum nachhaltigen Bauen?

Zertifizierungen wie DGNB oder LEED sind für institutionelle Anleger bei Großprojekten mittlerweile zum Standard geworden. Bei kleineren Projekten hat sich das bislang noch nicht durchgesetzt, da der Aufwand doch erheblich ist. Im Grundsatz sind wir allerdings auch hier sehr weit fortgeschritten. Denn einerseits hat die Baustoffindustrie in den vergangenen Jahren ein eigenes Interesse an nachhaltigen Produkten entwickelt, andererseits trägt die EnEV zu einer nachhaltigen Planung bei.


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